Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


zeitzeugen:ushgorod:tildi_galpert

Tilda Galpert

Erinnerungen von Tilda Halpert

Tilda Gnatiwna Galpert wurde im Jahr 1923 in der Stadt Mukatschewo in der damaligen Tschechoslowakei geboren. Tildas Vater war Weinhändler, ihre Mutter war Hausfrau und kümmerte sich um ihre acht Kinder. Ihr Großvater Wolf Ackerman und ihre Großmutter Golda lebten in Palantsi, einer Vorstadt von Mukatschewo.

Tilda über ihre Kindheit: Es war eine patriarchalische Welt und unsere ganze Familie lebte nach den jüdischen Traditionen. In Palantsi lebten die Juden von deutschstämmigen „Schwaben“ umgeben, aber damals gab es keine Manifestationen von Antisemitismus. Juden führten ein normales Leben, hatten eine Synagoge, und eine Mikwa. Ich lernte in der tschechischen Schule zusammen mit den Kindern anderer Nationalitäten, wir unterhielten uns sehr freundlich miteinander.

Zwei Schwestern, Margaret und Serena, und der Bruder Filip absolvierten die Handelsakademie. Im Jahr 1938 wurde Mukatschewo von faschistischem Ungarn besetzt. Von allen Geschwistern blieben nur zwei Brüder. Die anderen lebten mit ihren Familien in Mukatschewo, oder waren in die Sowjetunion oder Großbritannien ausgewandert.

Im Jahr 1939, als Tilda 15 Jahre alt war, ging sie in die Fabrik Rota und arbeitete dort bis zum 16. April 1944. Nach der deutschen Besetzung von Mukatschewo, als in der Stadt zwei Ghettos geschaffen wurden, wurde Tildas Familie zwischen den Lagern geteilt.

Aus der Erinnerung von Tilda: „Das Traurigste für uns alle war der Tag, als die ungarischen Gendarmen unsere Häuser am Morgen betraten, uns hinauswarfen und uns in strikter Reihenfolge unter Bewachung der Gendarmen ins Ziegelwerk trieben. Sie schrien uns den ganzen Weg über an. Meine Mutter und mein Bruder hielten sich aneinander fest. Im Werk waren wir eine namenlose Menschenmenge, ohne Dokumente. Ich kann mich nicht genau erinnern, wie viele Tage wir dort verbracht haben. Jeden Tag wurde eine Reihe von Menschen auf eine Eisenbahnlinie wie Vieh abgeführt, in die Viehwagen getrieben und an einen unbekannten Ort gebracht. Als wir an der Reihe waren, versuchten wir, als Familie und mit Freunden zusammenzubleiben. Wir saßen zusammengedrängt auf dem Boden. Es gab kein Essen, nichts zu trinken, ich weiß nicht genau, wie lange wir unterwegs waren. Wir sind ins Lager Auschwitz gekommen.“

Im Lager hat sie ihre Mutter verloren. „Am Morgen wurden wir auf den Platz zum Zählen ausgetrieben, wir sollten in einer Linie von je fünf Menschen antreten. Das wurde Appell genannt. Dies wurde zweimal am Tag gemacht, morgens und abends, und wir standen 2 Stunden lang. In unserer Baracke war eine ältere slowakische Jüdin namens Antscha. Sie war seit 1942 im Lager und war schon ganz abgestumpft und verroht. Als wir sie fragten, wo unsere Verwandten sind, zeigte sie uns das riesige Rohr des Krematoriums und sagte: „Da sind Ihre Verwandten im Rauch!“ Als wir das hörten, wollten wir nicht länger leben. Wir haben zusammen mit meiner Freundin Frida eine rostige Klinge auf dem Hof gefunden und beschlossen, Selbstmord zu begehen. Aber als wir ins nahe gelegene Lager „C“ verlegt wurden, ging die Klinge verloren. Vielleicht das war unser Schicksal. Obwohl es sehr schwierig war, anhand eines kleinen Stücks Brot mit Sägespänen und Suppe aus Steckrübe zu überleben, dank unserer Jugend haben wir es überstanden.“

Drei Monate später wurde Tilda zusammen mit 150 Frauen ins Arbeitslager Reichenbach geschickt, wo sie bis zum Kriegsende arbeitete.

Tilda erinnert sich: „Am 2. Mai 1945 fand am Werk eine Trauerkundgebung für Hitler statt, so fanden wir heraus, dass er gestorben war. Aber bis zum 7. Mai haben wir immer noch gearbeitet. Am 8. Mai verschwanden die Wachmänner des Lagers und wir wurden freigelassen. Wir alle liefen auf die Straße und sahen die sowjetischen Panzer. Wir rannten auf sie zu, und sie schrien und sagten uns: „Krieg kaputt, Hitler kaputt!“ Zwei Wochen später wurden wir in die Grenzstadt Trutnow gebracht, im Hotel untergebracht und gefüttert. Und nun begann unsere zweiwöchige Reise durch Bratislava, Budapest, Tschop. (…) das Haus, in dem unsere Familie lebte, war ruiniert, wahrscheinlich hatte man verborgene „Schätze“ gesucht. In Auschwitz sind meine Mutter, meine ältere Schwester mit ihrem Sohn, die Frau meines Bruders mit ihrem Sohn und mein jüngerer Bruder gestorben.”

Nach Kriegsende heiratete Tilda ihren Freund, den Shoaüberlebenden und Freiwilligen der Sowjetarmee, Ernest Galpert. Sie sind seit dem Jahr 1947 zusammen und haben zwei Söhne, die leider ihre Großeltern, die in den Lagern ermordet wurden, niemals kennengelernt haben.

zeitzeugen/ushgorod/tildi_galpert.txt · Zuletzt geändert: 2018/04/09 16:19 von marina